
Sicherung der Geburtshilfe
Seit Beginn meiner Abgeordnetentätigkeit beschäftigt mich ein Thema immer wieder: die Geburtshilfe bzw. die Situation der Hebammen. Im Jahre 2013 ging es vornehmlich darum, eine zügige und praktikable Lösung für die Haftpflichtproblematik für die freiberuflich in der Geburtshilfe tätigen Hebammen zu finden. (vgl. Antrag der Grünen-Fraktion „Hebammen in Bayern stärken – Erhalt der flächendeckenden Geburtshilfe“ Drs. 17/181 vom 4. Dezember 2013). Doch bereits da zeichnete sich die grundlegende Problemlage ab: Die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit geburtshilflichen Leistungen. (vgl. Antrag der Grünen-Fraktion „Flächendeckende Versorgung mit geburtshilflichen Leistungen in Bayern sicherstellen“, Drs. 17/9828 vom 29. Januar 2016).
Um mir ein Bild über die tatsächliche Situation der Hebammen in Bayern machen zu können, habe ich mehrere Schriftliche Anfragen an die Staatsregierung gestellt: Zu den Themen „Hebammen-Ausbildung und Berufsqualifikation – Anerkennung in Bayern“ (Drs. 17/10419) und „Qualitätskriterien bei Hausgeburten“ (Drs. 17/10622) sowie mit meinem Fraktionskollegen Ulli Leiner die Anfrage “Guter Hoffnung – Geburtshilfe in Bayern“ (Drs. 17/12740), in der wir u.a. ganz konkret nach räumlichen Kapazitäten der geburtshilflichen Versorgung, nach dem Bedarf an Hebammen bei der Geburtshilfe sowie der Vor- und Nachsorge gefragt haben. Viele Fragen konnte die Staatsregierung nicht beantworten.,Die vom Staatsministerium für Gesundheit und Pflege in Auftrag gegebene Studie zur Hebammenversorgung ist durchgeführt worden. Die Veröffentlichung ist uns leider noch nicht bekannt. Auf die Missstände der derzeitigen Versorgung – fehlende Plätze in den Geburtshilfestationen, fehlende Hebammen in den Kreissälen und bei der Wochenbettbetreuung – wies ich die CSU-Regierung in meiner Plenarrede vom 6. April 2017, sowie in meiner Rede vom 25. April 2017 erneut hin.
Wir verzeichnen einen Geburtenrekord in Bayern – das ist schön! Allerdings gibt es Probleme in der Geburtshilfe sowie bei der Betreuung vor und nach der Geburt, die nun angepackt werden müssen: Zentral dabei sind die Überlastung der Kliniken sowie der Hebammenmangel. Deshalb fordern wir Grüne ein Förderprogramm für Hebammen! (vgl. Antrag der Grünen-Fraktion „Geburtenrekord in Bayern: Förderprogramm für Hebammen schaffen!“ Drs. 17/15521 vom 16. Februar 2017).
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der 1. Vorsitzenden des Bayerischen Hebammen Landesverbandes, Astrid Giesen haben wir Anfang März 2017 die aktuelle Lage und den notwendigen Handlungsbedarf dargestellt. Auch in einem Gastbeitrag für Focus Online schilderte ich die derzeitigen Schwierigkeiten und zeigte Handlungsmöglichkeiten auf.
Der Erhalt der guten und wohnortnahen Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum sowie auch in Ballungsräumen gehört zu den bedeutendsten gesundheitspolitischen Herausforderungen. Ich bin der Meinung, es ist allerhöchste Zeit, übergreifend verbesserte Rahmenbedingungen für die Hebammen zu schaffen, damit eine sichere und gute Betreuung rund um die Geburt gewährleistet werden kann.
Am 21. Juli 2017 veranstaltete ich zusammen mit meinem Kollegen Ulrich Leiner das Fachgespräch „In guten Händen – Zukunft der Geburtshilfe in Bayern“ im Bayerischen Landtag, um gemeinsam mit Expert_innen zu diskutieren, wie wir die für Bayern notwendigen Geburtshilfestationen sichern und Familien und Hebammen besser unterstützen können. Es war eine interessante Debatte nicht nur unter den Podiumsteilnehmer_innen, die aus Ihren unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen berichteten. Vielmehr war aus den zahlreichen Wortbeiträgen der anwesenden Gäste, darunter Hebammen, Geburtshelfer_innen und Gynäkolog_innen, eines herauszuhören: die Forderung an Politik, Verbände und Träger zu handeln und Maßnahmen zu ergreifen, um weitere Schließungen von Geburtshilfestationen zu verhindern. Es ist ein komplexes Thema, es betrifft die Arbeitsbedingungen der Hebammen und aller die in der Geburtshilfe tätig sind und setzt Änderungen in der Krankenhausplanung voraus. Dazu haben wir im Landtag Anträge eingebracht. Unserer Forderung nach einem Sicherstellungszuschlag für den Bereich der Gynäkologie und Geburtshilfe (Antrag Drs. 17/16618) wurde stattgegeben. Das war ein Schritt in die notwendige Richtung, dem inzwischen auch der G-BA gefolgt ist (siehe Ärzeblatt vom 20.04.2018).
Der im Januar 2018 in Kraft getretene Schiedsspruch stellt Hebammen und Krankenhäuser in Bayern vor neue Herausforderungen. Freiberufliche Hebammen können seit Januar nur noch zwei Leistungen gleichzeitig abrechnen. In Bayern arbeitet etwa die Hälfte der Kliniken (laut Gesundheitsministerium: 52,1%) mit Beleg- also freiberuflichen Hebammen. Die im Schiedsspruch beschlossene Regelung entspricht nicht der realistisch umzusetzenden Arbeit im Kreißsaal.
Mögliche Folgen:
- Hebammen arbeiten unbezahlt
- Schwangere können nicht betreut werden
- Arbeitsbelastung von angestellten Hebammen steigt (noch mehr)
- Situation in den Kliniken verschärft sich durch (noch mehr) fehlendes Personal
Wir brauchen Hebammen, um eine wohnortnahe und qualitativ hochwertige Geburtshilfe in Bayern sicherstellen zu können. Neben finanzieller Förderung der Kliniken brauchen wir dafür auch eine bessere Entlohnung der Hebammen, eine langfristige Lösung der Haftpflichtproblematik und die Umsetzung der EU-Vorgaben nach einer Akademisierung der Berufsausbildung.
Am 17.08.2018 beantwortete die Staatsregierung meine Schriftliche Anfrage zum “Zukunftsprogramm Geburtshilfe”. Die Ergebnisse sind erschreckend: in fünf Landkreisen in Unterfranken, in fünfzehn in ganz Bayern, gibt es gar keine Geburtshilfestation mehr. Eine wirklich wohnortnahe Versorgung mit Geburtshilfe ist deswegen für viele junge Eltern nicht mehr umzusetzen, die Wege in die Klinik bleiben weit. Für die bereits geschlossenen Geburtshilfestationen ist es leider schon zu spät, den werdenden Müttern in diesen Landkreisen hilft das Zukunftsprogramm Geburtshilfe nicht mehr. Nach Medienberichten wurden in München und im Landkreis Passau letztes Jahr Babys im Rettungswagen geborenen, für wieviele mehr das zutrifft, weiß die Staatsregierung leider nicht.