Reisebericht aus Tansania

Nach fast 24 Stunden Reise bin ich da angekommen, wo ich schon lange hinfahren wollte. Nach Mwanza, Tansania, Partnerstadt von Würzburg. Warum ich hierher wollte? Im letzten Jahr wurde soviel über „Fluchtursachen bekämpfen“ gesprochen, aber wie das geht, blieb meist nebulös und unkonkret. Hier in Tansania und in Mwanza geht vieles sehr gut, andererseits weiß ich von Gesprächen mit Frauen z.B. aus der Zentralafrikanischen Republik, die ich bei der „Internationalen Begegnung von Christen aus aller Welt“ zweimal getroffen hatte, dass da gar nichts vorangeht. Hier in Mwanza arbeiten das Missionsärztliche Institut, das DAHW, die Stadt Würzburg, und ich möchte anhand von eigenen Eindrücken besser verstehen, warum das klappt. Was ist eigentlich noch „Entwicklungshilfe“, und wie wird eine Partnerschaft daraus? Ziel dieser Fahrt waren Gesundheitsprojekte: Lepra (nein, sie ist noch nicht ausgestorben!), HIV bei Jugendlichen und Schistosomiasis. Ich durfte Dr. Christa Kasang und Dr. Andreas Müller vom Missionsärztlichen Institut begleiten auf einer ihrer regulären Arbeitswochen hier.

Kerstin Celina mit Dr. Christa Kasang, Elisha Matthias Mlewa, Given Mikasi, Henerico Shimba und Dr. Graeme Jacobs.
Kerstin Celina mit Dr. Christa Kasang, Elisha Matthias Mlewa, Given Mikasi, Henerico Shimba und Dr. Graeme Jacobs.

Am ersten Tag ging es um die Drei-Länderpartnerschaft bei den von Frau Dr. Christa Kasang betreuten Gesundheitsprojekten. Wir sind um sechs Uhr aufgestanden, um uns an der Fähre zur Ukurewe Insel mit Wissenschaftlern aus Mwanza, Tansania, und aus Cape Town in Südafrika zu treffen. Drei Länder, drei Wissenschaftler-Generationen. Vom jungen Elisha Matthias Mlewa aus Tansania, der gerade sein Bachelor Studium in Mwanza absolviert, über die Graduierten Given Mikasi aus Südafrika, der gerade an seinem Doktor arbeitet und Henerico Shimba aus Mwanza hin zu Dr. Graeme Jacobs aus Südafrika, der u.a. in Würzburg studiert hat und natürlich Dr. Christa Kasang. Alle drei Länder verbindet eine lange und intensive Zusammenarbeit zum Thema HIV: „we are equal partners in unequal circumstances“. Und jeder lernt hier von den anderen. Der wissenschaftliche Austausch innerhalb von Afrika funktioniert schon aufgrund der gemeinsamen englischen Sprache besser als wenn jeder, der sich zu HIV-Resistenzen mit anderen Forschern austauschen will, nach Deutschland kommen müsste. Problematisch ist nicht unbedingt die medizinische Behandlung, sondern v.a. der Aufbau von Laboren und Diagnoseverfahren über Forschung hinaus. Wenn Krankheiten und Resistenzen nicht einfach in wenigen Tagen diagnostiziert werden können, erschwert das die Behandlung natürlich sehr. Warum sich diese klugen Menschen hier für dieses gemeinsame Projekt so sehr engagieren, hat Dr. Jacobs gesagt: „I love my country so much, I will always want to give the community there something back“, und alle, egal woher sie kamen, strahlten um die Wette.

Kampf gegen die Wurmerkrankung Schistosomiasis

Sonntag – keine Schule, die Kinder spielen auf der Straße. Die Insel Ukerewe im Viktoriasee wirkt auf den ersten Blick wie ein Paradies, erst auf den zweiten Blick bemerkt man, dass Ukerewe definitiv zu den vernachlässigten Regionen in Tansania gehört. Erst seit sieben Monaten gibt es hier Strom, zumindest in der dichter besiedelten Region in der Nähe der Fähre. Seit gerade mal drei Monaten kann man gereinigtes Trinkwasser aus dem See an einer Pumpe kaufen. Das Wasser des Viktoriasees ist bisher aber DIE (Trink-)Wasserquelle für die Bevölkerung, und leider auch eine Krankheitsquelle. Wer in das Wasser geht, fängt sich die Larven kleiner Würmer ein, die durch die Haut zu den inneren Organen vordringen und Eier legen, die dann mit Fäkalien wieder ausgeschieden werden und oft auf diesem Weg wieder im Vikoriasee landen. Und sie infizieren dann den nächsten Menschen, der beim Wasserholen mit dem Wasser in Kontakt kommt, mit Billharziose / Schistosomiasis. Durchfallerkrankungen, innere und äussere Entzündungen, Krebsgeschwüre und Unfruchtbarkeit sind die Folge einer mitunter auch lebensbedrohlichen Krankheit, die mit einer hygienischen Trinkwasserversorgung gar nicht erst aufkommen würde. Die dann mit Medikamenten behandelt werden muss, die man nicht bräuchte, wenn diese Krankheit gar keinen Nährboden bekäme, um sich immer weiter zu verbreiten. Und ich erinnere mich gut, schon in den 80er Jahren wurden Spenden gesammelt, um Trinkwasserverfügbarkeiten zu erhöhen und diese sogenannte „Wurmkrankheit“ zu bekämpfen. Vor etwa 10 oder 15 Jahren wurde aber die Bekämpfung anderer, „dringenderer“ Krankheiten nach vorne geschoben: Malaria, HIV, Tuberkulose. Da blieb kaum noch Geld für die sogenannten „neglected tropical diseases“ (vernachlässigte trop. Krankheiten) wie Billharziose/ Schistomisis. Nicht einmal in Tansania konnte diese Krankheit merklich eingedämmt werden, obwohl in Tansania seit mehr als 45 Jahren kein Krieg mehr geführt wurde, und obwohl der Viktoriasee als riesiges Binnengewässer die Basis für Fischfang, Trinkwasser und Wasser für alles andere bietet und diese Krankheit zu bekämpfen für die Menschen in der Region hier vielleicht weitaus wichtiger gewesen wäre als die Bekämpfung anderer Krankheiten.

Schulgebäude in Ijinga.
Schulgebäude in Ijinga.

Auf Ijinga, einer kleinen Insel im Viktoriasee, trafen wir uns mit fast 20 Tansaniern, um darüber zu sprechen, wie der Dreiklang von Vorbeugung, medizinischer Behandlung und Vermeidung von Schistosomiasis auf dieser kleinen Insel gelingen kann. Der Schlüssel dazu ist die Versorgung der Bevölkerung mit sauberem Wasser und zu verhindern, dass infizierte Fäkalien ins Wasser des Sees gelangen, das sogenannte „Schisto-Projekt“ des DAHWs und des Missionsärztlichen Insituts in Würzburg. Ort des Treffens war die Schule, und – so wie in den letzten Tagen regelmässig – erlebe ich Kinder und Jugendliche hier mit einer unglaublichen, positiven Energie. Respektvoll, höflich, fröhlich, selbstbewusst, stolz. Ältere Jugendliche können oft sehr gut Englisch, obwohl das nicht mehr die offizielle Landessprache ist. Diese positive Stimmung, der Ehrgeiz und das Selbstbewusstsein dieser jungen Menschen ist nicht selbstverständlich, es gäbe schließlich genügend Gründe, pessimistisch zu sein. Die Armut, Alkoholismus, Krankheiten, Bevölkerungswachstum, Prostitution, absolute Unterbeschäftigung und HIV.

Erforschung von Medikamenten gegen HIV

Die Behandlung mit HIV-Medikamenten in Afrika ist kostenlos, Geld dafür wurde seinerzeit zuerst unter George W. Bush bereitgestellt, inzwischen zahlt auch die Bill Clinton Foundation. Im Bugando Hospital in Mwanza wurden schon um die 16.000 Patient*innen registriert und 12.000 mit HIV-Medikamenten versorgt. Alles in Butter? Mitnichten. Für mich ist das ein Beispiel, an dem man sehen kann, wie langfristig Entwicklungszusammenarbeit aufgestellt sein muss, und wie groß die Gefahr ist, bisherige Erfolge kaputt zu machen, wenn Projekte aus Geldmangel abgebrochen werden müssen.

Kerstin Celina mit Kalister Michael im Bugando Hospital in Mwanza.
Kerstin Celina mit Kalister Michael im Bugando Hospital in Mwanza.

Im südlichen Afrika sind mehr als 20 Mio. Menschen mit HIV infiziert (zum Vergleich: In Deutschland etwa 70.000). Wenn die Zahl der im Körper befindlichen Viren durch Medikamente gering gehalten werden kann, ist ein normales Leben möglich, mit Arbeit und ohne andere anzustecken und ohne eine AIDS Erkrankung. Die Zeiten, in denen tausende von arbeitsfähigen Menschen elend an AIDS bzw. Folgeerkrankungen starben und die Jungen und Alten zurückließen, mit all den negativen sozialen Begleiterscheinungen für eine Gesellschaft, sind zum Glück vorbei, können aber ganz schnell wiederkommen, wenn die Behandlung abgebrochen wird oder aufgrund von Resistenzen wirkungslos ist. Die Ziele der WHO, nämlich 90% der Infizierten zu erkennen, davon 90% zu behandeln und davon bei 90% die Virenmenge zu unterdrücken, sind aber kaum noch zu erfüllen, wenn Resistenzen nicht erkannt werden und die Medikamente nicht angepasst werden können. Dazu braucht es Labore mit einer entsprechenden Ausstattung und gut qualifiziertes Personal und Geld. Ein Test auf Resistenzen kostet um die 50€. Die übliche Medikamentenkombination einfach weiterzugeben, ist die kurzfristig billigere Lösung, langfristig muss die Behandlung der HIV-Infizierten aber anders angegangen werden als bisher, um erreichte Erfolge nicht zu gefährden. Unter den bestehenden Strukturen in der Entwicklungszusammenarbeit ist das besonders schwer. Ziele werden für Projekte definiert, nach Ablauf der Projektlaufzeit wird geschaut, ob das Ziel erreicht ist oder nicht, und eine möglichst dauerhafte Weiterentwicklung ist nur sehr schwierig weiter zu finanzieren. Gleichzeitig ziehen sich die USA in der Finanzierung von HIV-Medikamenten zurück. Die Gefahr eines Rückschlags im Bereich der AIDS Erkrankungen im südlichen Afrika wächst. Das Missionsärztliche Institut setzt hier auf zielgerichtete Identifizierung von Resistenzen und innerafrikanische Partnerschaft mit Südafrika. Ich glaube, dass das der richtige Weg ist, aber die dauerhafte Finanzierung hier ist leider völlig unklar.

Besuch im Bugando-Hospital

Während es in Deutschland selbstverständlich erscheint, dass Patient*innen auf die Intensivstation geschickt werden, um überleben zu können, ist in Tansania die Intensivstation für manche der Platz, wo sie Patient*innen erst dann hinschicken, wenn kaum noch Hoffnung besteht, erzählte mir eine aus London stammende Ärztin im Bugando Hospital. Als ich auf der Intensivstation war, lagen nur junge Menschen auf der Station, z.B. ein Kind mit einem allergischen Schock nach einer Unzahl von Bienenstichen, einer nach einem Verkehrsunfall, einer mit einer Lungenerkrankung, eine Mutter mit Anfang 20, deren Körper sich nach der Geburt ihres Kindes nicht mehr gegen Malaria wehren konnte. Verkehrsunfälle sind sehr häufig in Mwanza und in Afrika, aber oft haben die Opfer das Pech, dass zumindest Fremde sie nicht ins Krankenhaus bringen, weil sie Angst haben, Kosten für deren Behandlung übernehmen zu müssen. Verglichen mit der Situation vor 5, 10 oder 15 Jahren hat sich hier aber sehr viel verbessert: die Stationen im Krankenhaus sind gut ausgestattet und haben sehr gutes und engagiertes Personal. Besonders die jungen Ärzt*innen sind beeindruckend in ihrem Fleiß und nutzen ihre Ausbildung, um sich viel Wissen anzueignen. Das deckt sich mit dem Bild, das ich von den jungen Menschen hier habe.

Tansanias Landschaften: Serengeti und Ngorogoro Krater
Gepard in freier Wildbahn in Tansania.
Gepard in freier Wildbahn in Tansania.

Auch das ist Tansania – Serengeti und Ngorogoro Krater. Für Elisha Joseph, der in einem kleinen Reisebüro in Mwanza arbeitet und der der zuverlässigste, freundlichste und netteste Führer und Fahrer war, den man sich wünschen kann, war ich die erste Deutsche, mit der er Serengeti und Ngorogoro-Krater bereist hat. Am Ende der langen Fahrt und nach vielen Gesprächen fragte ich ihn: „Was würdest du den Deutschen sagen, welche Botschaft soll ich ihnen bringen?“ Seine Antwort war sofort klar: „Karibu sana – Welcome to Tansania!“.

Dem kann ich nicht viel hinzufügen. Nur so viel: Viele langjährige Beziehungen und Projekte verbinden verschiedene Regionen Tansanias, insbesondere im Süden und in der Region um Mwanza, und Unterfranken. Den Gewinn aus diesen Partnerschaften haben beide Länder. Wer die Chance hat, in dieses friedliche, farbenprächtige und beeindruckende Land zu reisen, sollte die Reise deshalb auch dazu nutzen, sich vor Ort anzuschauen, wie die Zusammenarbeit in den vielen langjährigen Formen der Zusammenarbeit praktiziert wird.

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