Verlagerung des Staatsarchivs Würzburg nach Kitzingen

Runder Tisch Staatsarchiv Würzburg: von links nach rechts: MdL Georg Rosenthal, MdL Kerstin Celina, MdL Hand-Jürgen Fahn, Dr. Irmgard Becker (VdA)
Runder Tisch Staatsarchiv Würzburg: von links nach rechts: MdL Georg Rosenthal, MdL Kerstin Celina, MdL Hand-Jürgen Fahn, Dr. Irmgard Becker (VdA)

Den Anlass für einen offenen Runden Tisch “Staatsarchiv Würzburg” am 18. Januar 2016 gab die Beantwortung meiner zweiten Schriftlichen Anfrage zur Nutzung und Bedeutung des Staatsarchivs durch die Staatsregierung. Zusammen mit meinen Landtagskollegen Georg Rosenthal (SPD) und Hans-Jürgen Fahn (Freie Wähler) diskutierten wir mit interessierten Bürgern, Archivnutzern und Experten die Bedeutung des Staatsarchivs innerhalb der Archiv- und Forschungslandschaft in Würzburg und die Bedingungen, die ein neuer Standort erfüllen müsste. Eine kleine Zusammenfassung der Diskussion können Sie hier einsehen. Einig war man sich, dass die Entscheidung der Staatsregierung das Staatsarchiv nach Kitzingen zu verlegen, jeglicher fachlichen Grundlage entbehrt – der Wissenschafts- und Forschungsstandort Würzburg bleibt der sinnvollste Platz für das Staatsarchiv. Aber einig war man sich auch, dass für die Stadt Kitzingen Alternativen zum Staatsarchiv entwickelt werden müssen.

Im Februar 2019 wurde bekannt, dass der Neubau des Staatsarchivs in Kitzingen etwa 50 Millionen Euro kosten wird. Die Verlagerung des Staatsarchivs wurde in der letzten Legislaturperiode in einer Nacht-und Nebelentscheidung am Ende eines langen Sitzungstages beschlossen im Rahmen der Verlagerungen von Behörden. Ursprünglich waren 33 Mio. Euro eingeplant; ich hörte schon im März 2018, dass es deutlich teurer wird und fragte deshalb bei der Staatsregierung nach, die mir allerdings keine klare Auskunft gab.

Mittlerweile sind die Entwürfe für den Neubau des Staatsarchivs in Kitzingen fertig, aber der Sinn des Umzugs wird weiter bezweifelt. Im Oktober 2019 meldete sich der Bund für Steuerzahler zu Wort, der das Projekt für Steuerverschwendung hält (siehe: Main-Post vom 29.10.2019).

Ich teile die Kritik des Bundes der Steuerzahler voll und ganz. Seit die Entscheidung, das Staatsarchiv von Würzburg nach Kitzingen zu verlegen, vom damaligen Heimat- und Finanzminister Söder gegen den einhelligen Widerstand der Fachwelt getroffen wurde, explodieren die Kosten. Der Umzug schadet der Archiv- und Forschungslandschaft der Universitätsstadt Würzburg erheblich und es wurde trotzdem nie nach Flächen in Würzburg gesucht, nicht einmal, nachdem klar war, dass die Bodenbeschaffenheit am Standort in Kitzingen zu Kosten in mehrfacher Höhe führen werden.

Laut Staatsregierung ist mittlerweile ein Kostenrahmen für den Neubau des Archivgebäudes in Kitzingen in Höhe von rd. 63,5 Mio. € geplant. Aber dieser Kostenrahmen beinhaltet keine Ansätze für eine Verlagerung, Umzüge oder eine etwaige Zwischenlagerung der Archivbestände! Das bedeutet, dass die Gesamtkosten noch höher sein werden. Ich begrüße einen Archivneubau sehr, wir brauchen geeignete Räume für die Lagerung der Archivalien und ein gut erreichbares, benutzerfreundliches Archiv. Allerdings bin ich nach wie vor der Meinung, dass das Staatsarchiv in Würzburg verbleiben soll, denn Würzburg ist der zentrale Forschungsstandort in Unterfranken. Mein Antrag, worin ich ein Moratorium für die weitere Planung in Kitzingen beantragte, um prüfen zu lassen, ob geeignete Grundstücke in Würzburg für einen Neubau zur Verfügung stehen, wurde am 4.12.2019 Wissenschaftsausschuss abgelehnt.

Die Debatte im Ausschuss gibt der Mainpost-Artikel vom 5. 12. 2019 sehr gut wieder.

Im Mai 2021 hat der Haushaltsausschuss die Freigabe für die Fortsetzung der Planung des Neubaus für das Staatsarchiv in Kitzingen erteilt. Zusammen mit zwei Fraktionskolleg*innen habe ich eine weitere Schriftliche Anfrage zum Zeitplan und den Kosten gestellt. Die Antwort vom August 2021 ist hier.

Weiterhin stellt sich für mich die Frage, ob durch die Verlagerungskosten die erhofften positiven Effekte noch in einem angemessenen Verhältnis zu den Umzugskosten des Staatsarchivs stehen werden. Auch wenn das Ministerium für Wissenschaft und Kunst keine genauen Baukosten angeben konnte, um den Wettbewerb beim Vergabeverfahren, dessen Abschluss bis Herbst 2022 geplant ist, nicht zu verzerren, befürchte ich eine massive Kostensteigerung bis zur Übergabe an das Staatsarchiv im Dezember 2025. Das dicke Ende kommt bekanntlich zum Schluss. Positiv ist, dass keine Zwischenlagerung des Archivguts aus der Festung Marienberg nötig sein wird – falls die Fertigstellung des Archivgebäudes wie geplant verläuft (Frage 5). Ich werde den Bau und Umzug weiterhin parlamentarisch genau begleiten.

In einer weiteren schriftlichen Anfrage haken wir nach, was die Fortschreibung der Kostenprognose und des Bauzeitplans angeht. Die Kosten liegen nach dem Baupreisindexstand zum vierten Quartal 2017 bei rund 63,5 Mio. Euro. Auch diese Kosteneinschätzung wird sich meiner Meinung nach nicht halten lassen, und ich bin mal gespannt, ob es mit der Übergabe an den Nutzer bis Dezember 2025 klappen wird. Apropos Nutzer – „Übergabe an den Nutzer“ heißt nicht, dass das Staatsarchiv zu diesem Zeitpunkt eröffnet wird für den Publikumsverkehr, sondern bedeutet v.a. erstmal die Übergabe des Gebäudes an den Auftraggeber. Sollte es noch zu Baumängeln oder Verzögerungen kommen, wird die Eröffnung möglicherweise erst einige Jahre später erfolgen. Positive Auswirkungen werden die Maßnahmen haben, die schon jetzt laufen, um den Umzug vorzubereiten: es wurden Stellen eingerichtet, um Schutz von Archivalien und die Erschließung, d. h. die Nutzbarmachung von Archivgut zu gewährleisten, sowie die Digitalisierung von „Findmitteln“, also von Ver­zeichnissen von Archivalien, vorzubereiten, um einen digitalen Teilzugang während der notwendigen Schließung des Archivs für die Benutzerinnen und Benutzer zu ermöglichen. Alle diese Arbeiten sind nachhaltige Maßnahmen für das Archiv, die dem langfristi­gen Originalerhalt und der Zugänglichkeit des Archivguts für Bürgerinnen und Bürger dienen.

In einer weiteren Anfrage vom 20.09.2022 fragen wir nach der konkreten Bauplanung bei der Energieversorgung des Staatsarchivs in Kitzingen. Mit den geschätzten Kosten von inzwischen 75 Mio. Euro liegt die Staatsregierung jetzt, für mich nicht überraschend, noch höher als bisher. Positiv ist allerdings, dass die geplante Energieversorgung auf erneuerbare Energien setzt – ein klarer Erfolg für GRÜNE Politik: die Wärmeversorgung soll über eine reversible Sole-Wasser-Wärmepumpe und eine Luft-Wasser-Wärmepumpe erfolgen, die Kälteerzeugung für die empfindlichen Archivalien soll über eine Kältemaschine und die reversible Sole-Wasser-Wärmepumpe erfolgen. Die Stromversorgung soll über eine Photovoltaikanlage und das öffentliche Netz erfolgen. Für die Energieversorgung ist ein breites Spektrum aus erneuerbaren Energieformen vorgesehen: Umweltwärme (Luft-Wasser-Wärmepumpe), Geothermie (Sole-Wasser-Wärmepumpe) und solare Strahlungsenergie (Photovoltaikanlage). Aber: Die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien in Bayern war im letzten Jahr, von 2020 auf 2021, rückläufig (vgl. SAN von Martin Stümpfig). Während andere Bundesländer es geschafft haben, Schwankungen durch einen Ausbau der erneuerbaren Energien im eigenen Land auszugleichen, ist Bayern durch das bisherige Ausbremsen der Windenergie und dem Schneckentempo beim Ausbau anderer erneuerbarer Energien eben nicht in der Lage dazu. Wenn Bayern ein Staatsarchiv, also einen großen, zusätzlichen Stromverbraucher baut, aber den zusätzlichen Energiebedarf dafür nicht annähernd durch den zusätzlichen Ausbau an erneuerbaren Energien selbst decken kann, ist das einfach nur peinlich. Bayern wird erneuerbare Energien für das Staatsarchiv aus anderen Bundesländern ankaufen müssen, aus den Bundesländern, in denen GRÜNE seit Jahren erfolgreich (mit)regieren und die Energiewende eben angepackt und nicht verschlafen haben wie in Bayern.

Die Verlagerung des Staatsarchivs von Würzburg nach Kitzingen wird von der Staatsregierung immer mit der strukturpolitischen Zielsetzung der Heimatstrategie, den Verfassungsauftrag der Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse zu verwirklichen, verteidigt. Grundphilosophie der Heimatstrategie ist es ja, die Ballungsräume zu entlasten und ländlich geprägte Räume zu stärken. Die geplante Verlagerung des Staatsarchivs erfüllt diesen Anspruch aber gar nicht. Klar ist aber, dass die geplante Verlagerung dem üblichen Grundsatz „Archivalien bleiben vor Ort“ widerspricht. Warum dies ausgerechnet in diesem Fall nicht mehr gilt, ist meiner Ansicht nach nicht nachvollziehbar. Die geplante Verlagerung des Staatsarchivs von Würzburg nach Kitzingen ist und bleibt eine Fehlentscheidung der bayerischen Staatsregierung, die in der Fachwelt absolut nicht nachvollzogen werden kann. Wie groß der Protest inzwischen ist und welche Gründe für einen Verbleib des Staatsarchivs sprechen, ist in meinen zahlreichen Anfragen und in Presseartikeln dokumentiert: