MdL Celina in der Bäckerei Amthor in Waltershausen zu Gast
Ein Bäcker, der nicht sehen kann? Ein Mitarbeiter, der mit dem Kopfrechnen Schwierigkeiten hat? Jemanden beschäftigen, der erst mal Deutsch lernen muss? Dass all das möglich ist, hat Ullrich Amthor, der den Bäckerei-Familienbetrieb in Walterhausen bei Bad Königshofen im Rhön-Grabfeld in der vierten Generation führt, in seinem langen Berufsleben bewiesen. Dass die Landtagsabgeordnete Kerstin Celina sich genau deswegen mit ihm sprechen wollte und um einen Termin bat, freute den langjährigen Betriebsinhaber Amthor sichtlich. Celina ist sozialpolitische Sprecherin der GRÜNEN Fraktion und sucht solche Betriebe und andere Projekte zu gelungener Inklusion und Integration immer wieder auf: „Ich freue mich sehr, dass vor Ort – sogar in den kleinsten Dörfern – immer wieder gute Lösungen gefunden werden, um Menschen mit körperlichen, psychischen oder kognitiven Einschränkungen zu beschäftigen und ich will wissen, wie das genau geht und wie das noch besser gehen kann“ begründete Celina, warum sie aus Würzburg bis nach Waltershausen zur Bäckerei Amthor gefahren war.
„Wie kriegt ihr es denn hin, dass ein Mitarbeiter, der fast nichts sehen kann und nicht selbst zur Arbeit fahren kann, früh um halb zwei hier an seine Arbeitsstelle kommen kann?“ fragte Celina gleich als erstes. Amthor erläuterte, dass in diesem Fall eine gute Regelung mit der Rentenversicherung gefunden wurde. Die An- und Abfahrt geschieht mit dem Taxi. „Wir hatten wirklich eine gute Zusammenarbeit mit allen Beteiligten.“, erzählte Amthor, „Egal ob mit Arbeitsagentur, Handwerkskammer, Rentenversicherung, Inklusionsamt oder Blindenverband, letztendlich haben wir gut zusammengearbeitet und passende Lösungen gefunden“.
Wichtig sind auch technische Lösungen, erläuterte Jürgen Reichelsdorfer, der für die IT in der Bäckerei zuständig ist. „Die Prozesse in einer Bäckerei sind komplex, und wenn man das so organisieren will, dass jede und jeder möglichst gut in seiner Aufgabenerledigung unterstützt wird, dann muss man einen Menge Arbeit reinstecken, aber es lohnt sich“, erläuterte er der Besuchergruppe, zu der auch die Bezirksrätin Klara May aus dem benachbarten Junkershausen zählte, ebenso wie Norbert Dietzel vom Ortsverband der GRÜNEN in Bad Neustadt und Sabine Rhein, Stadträtin aus Bad Königshofen. Als Beispiel zeigte er die computerunterstützte Waage: „Unsere Rezepte sind in dem Computer gespeichert. Der Benutzer wählt das gewünschte Rezept und gibt die gewünschte Menge, z.B. die Anzahl von Brötchen, ein, die produziert werden sollen. Das Programm rechnet alle benötigten Zutaten aus, die dann nur noch ausgewogen werden müssen. Der Clou bei der Sache ist, dass eine große Anzeige grün leuchtet, wenn die richtige Menge der jeweiligen Zutat auf der Waage liegt. Dieses Signal unterstützt den Bäcker – egal, ob es Probleme mit dem Rechnen oder mit dem Sehen gibt.“ beschrieb Reichelsdorfer anschaulich. Wie gut das Brot schmeckte, konnte die Besuchergruppe beim Probieren selbst feststellen.
„Man muss sich ständig weiterentwickeln“ erklärte Amthor, „und seinen Kopf zum Mitdenken benutzen, dann kommt auch etwas Gescheites dabei raus“. Ein Beispiel dafür sei das sogenannte „Heilwasserbrot“, in dem die Bäckerei Bitterwässer der Bad Königshofer Quellen anstatt des normalen Trinkwassers einbringt. „Man kann auch als alteingesessener Familienbetrieb konkurrenzfähig bleiben und sich gleichzeitig als sozialer Arbeitgeber einen Namen machen“ lobte Celina. Einig waren sich die Fachpolitikerin und der Unternehmer auch darin, dass Menschen, die eine Behinderung haben, ihre Einschränkungen oft sehr gut kompensieren können, z.B. bei Sinnesbehinderungen durch eine besonders hohe Konzentrationsfähigkeit und Merkfähigkeit. „Damit bringen sie auch wirklich gute Voraussetzungen mit für einen anspruchsvollen Beruf im Handwerk, gerade da, wo ein besonders hoher Fachkräftemangel herrscht“, sagte Celina und verwies darauf, dass man mit guter Zusammenarbeit und kreativen Ideen oft passende Lösungen finden kann. Ein formaler Schulabschluss alleine sei nicht aussagekräftig, betonte Amthor, auch ohne diesen könne man gut in die Mannschaft passen, ergänzte der erfahrene Bäckermeister und Brotsommelier. Auch für Celina ist klar: „Wir müssen viel mehr die Stärken der einzelnen Menschen sehen, statt eine Behinderung oder kognitive Einschränkung als Defizit zu sehen. Und ich freue mich, hier in Waltershausen einen Unternehmer kennengelernt zu haben, der Inklusion und Integration einfach praktiziert und vorlebt und ich werde mich weiter dafür einsetzen, dass die politischen Rahmenbedingungen dafür in Zukunft noch besser gestaltet werden“, fasst sie am Ende des Besuchs zusammen.