- am 7. Juli 2022 in Nürnberg, mit Verena Osgyan, MdL, und Kerstin Celina, MdL
Die Gäste der beiden Diskussionsrunden unserer Veranstaltung in Nürnberg waren
- Prof. Dr. Carola Fröhlich, Sozialwissenschaftliche Fakultät der Technischen Hochschule Nürnberg
- Nele Hallemann, Kontakt- und Informationsstelle für Studierende mit Behinderung und chronischer Erkrankung an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
- Bernhard Schüssler, Politikwissenschaftler (B.A.) und Studierender an der Freien Journalistenschule im Online-Campus mit nur 3% Sehvermögen
- Rosa Reinhardt, stellvertretende Vorsitzende des Behindertenbeirats der Stadt Nürnberg, gehörlos
- Andrea Friedel, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und sozialpolitische Sprecherin der GRÜNEN Stadtratsfraktion in Nürnberg.
Die Veranstaltung wurde von zwei Gebärdensprachdolmetscher*innen übersetzt. Auf ein Podium oder eine Bühne wurde bewusst verzichtet.
Als Fazit stellte der Nürnberger Landtagsabgeordnete der Grünen, Elmar Hayn, Sprecher für Fragen des Öffentlichen Dienstes, in seinem Grußwort fest: „Wir hinken der Inklusion erschreckend hinterher und müssen einer traurigen Realität ins Auge sehen: Bayern wird bis 2023 nicht barrierefrei sein. Denn seit der großen Ankündigung von CSU-Ex-Ministerpräsident Horst Seehofer vor neun Jahren hat sich fast nichts getan.“
Zunehmende Ausgrenzung durch den Bildungstrichter
Auch Verena Osgyan skizzierte eine düstere Situation an den bayerischen Hochschulen und Universitäten. Als Folge des sogenannten „Bildungstrichters“ werden Kinder und Jugendliche mit Behinderung bei ihrem Gang durch die Bildungsinstitutionen zunehmend ausgegrenzt: Während in den Kindergärten bereits zahlreiche Fortschritte bezüglich Inklusion und Barrierefreiheit zu verzeichnen sind, bleiben die Grund- und Mittelschulen und vor allem die Gymnasien in diesem Bereich rückständig. „Dies hat zur Folge,“, so Osgyan, „dass viele junge Menschen mit Behinderungen erst gar nicht an die Hochschulen und Universitäten kommen.“ Zudem mangelt es an den Hochschulen und Universitäten an Aufmerksamkeit und Sensibilität für die besonderen Belange von Studierenden mit Behinderung, aber auch an entsprechender finanzieller und personeller Ausstattung. Gleichberechtigte Teilhabe von Studierenden mit Behinderung am Studium, aber auch am Leben außerhalb der Hörsäle ist auch ein zentrales Anliegen der GRÜNEN Entwürfe für ein „Hochschulfreiheitsgesetz“ von 2021 sowie für ein „Barrierefreiheitsgesetz“ von 2022.
Studieren für Menschen mit Behinderung: eine kaum bewältigbare Herausforderung
In den Diskussionsrunden wurde deutlich, dass das Studieren in Bayern für Menschen mit Körperbehinderung oder Sinnesbeeinträchtigung eine allein kaum bewältigbare Herausforderung darstellt, weil die Hochschulen und Universitäten nicht darauf vorbereitet sind. Dabei geht es nicht nur um bautechnische Hindernisse, sondern auch um die Ausgestaltung der Prüfungsformate oder festgesetzte Anwesenheitszeiten.
Vorbild USA: Die Universitäten sind für Teilhabe zuständig – und nicht die Studierenden
In einem Podcast über Inklusion habe ich gehört, dass ein hörbehinderter deutscher Student an einer amerikanischen Universität einen Raum mit Induktionsschleife brauchte. „Das war ganz einfach. Er hat sich angemeldet, die Hörbehinderung kommuniziert und damit war es Aufgabe der Professorin und der Universitätsleitung, dass der Kurs in einem entsprechenden Raum stattfinden musste. Es musste sich also nicht der Student darum kümmern, sondern die Universität machte das. Das sind paradiesische Zustände, oder?“ Inklusion an Hochschulen hängt hier oft am individuellen Engagement der Beteiligten. Eine gleichmäßige, inklusionsfreundliche Grundstruktur ist leider nicht vorhanden, egal ob es um die baulichen, finanziellen oder personellen (Beratungs)Strukturen geht. Da ist noch Luft nach oben.
Die Diskussion wurde mit vielen wichtigen Beiträgen aus dem Publikum bereichert. Bei einem gemütlichen Get-Together in der Villa Leon konnten sich die Abgeordneten, die Teilnehmer*innen an der Podiumsdiskussion und die Gäste noch über die Podiumsdiskussion hinaus austauschen. Wir danken allen Teilnehmenden für ihr Engagement!